Mein Zuhause: Zrínyi Miklós Nemzetvédelmi Egyetem
Untergebracht bin ich hier in Budapest in der Zrínyi Miklós Nemzetvédelmi Egyetem (kurz ZMNE). Wörtlich übersetzt heißt das: Nikolaus Zrínyi-Landesverteidigungsuniversität. Die ZMNE ist eine Bildungseinrichtung der ungarischen Armee, und das Gelände hier ist eine Mischung aus Kaserne und Universität. Man merkt das daran, dass die Studenten zwar Uniform tragen und sich im Gleichschritt über das Gelände bewegen, aber alle die gleiche schwarze Aktentasche dabei haben. Jeden Morgen treten die Studenten auf dem Appellplatz in Uniform an und exerzieren etwas in der Gegend herum. An manchen Tagen gibt’s dazu schmissige Marschmusik. Den Rest des Tages scheinen sie mit weniger militärischen Zeitvertreiben zu verbringen; irgendeine Waffe habe ich hier zumindest noch nicht gesehen. Ich habe mich bisher nicht getraut, die Soldaten zu fotografieren.
Es ist natürlich eine gemeine Ironie des Lebens, dass ausgerechnet ich – als Kriegsdienstverweigerer! – einmal für zwei Monate in einer Kaserne leben soll. Aber es hat auch seine Vorteile. Der Stadtteil hier ist wohl, nunja, zeitweilig etwas seedy. Und weil zwei Seiten des Gästehauses, in dem wir hier untergebracht sind, direkt an das Ghetto benachbarte Stadtviertel grenzen, hat man ganz militärisch-pragmatisch mit Gittern vor den Fenstern, haufenweise Überwachungskameras und einigen Rollen Stacheldraht nachgeholfen. Dadurch hat das ganze mitunter den Flair eines Gefängnisses, aber ich möchte nicht unfair sein: Immerhin ist das Gebäude in diesem Sommer frisch renoviert worden. Und vor meinem Fenster sind keine Gitter, sondern nur Stacheldraht.
Unser Ansprechpartner hier, Imre, liest uns jeden Wunsch von den Lippen ab. Seine Familie kam ursprünglich aus Serbien, was irgendwas mit den Türken zu tun hat, und er macht serbischen Volkstanz. Serbische Volksmusik klingt genauso wie bayerische, ganz anders als die ungarische. Dass ich das alles weiß, zeigt, dass der gute Imre sich nicht nur um uns kümmert, sondern in seinen Ausführungen mitunter leicht abschweift. Er kann ein paar Worte deutsch, aber seit ich den Fehler gemacht habe, ihm zu verraten, dass ich ein paar Worte ungarisch spreche, unterhalten wir uns unterhält er mich nur noch auf ungarisch.
Ansonsten ist alles natürlich straff militärisch durchorganisiert: Wir haben einen Ausweis fürs Tor, den aber nie jemand kontrolliert, wenn man die dort sitzenden Wachen anlächelt und mit forschem Schritt vorbeieilt. Und die neue Waschmaschine, die Imre uns versprochen hat, kommt zuverlässig “morgen”, seit vorletztem Freitag.
veröffentlicht am 12. October 2008 um 22.30 Uhr
in Kategorie: Journal
“Zrínyi Miklós Nemzetvédelmi Egyetem”
Ausgesprochen konspirativ. Wenn außer den Magyaren selbst niemand das Zielobjekt aussprechen kann, findet’s auch keiner. 😉
Comment by niels — 12. October 2008 @ 23:05
Und wie gute Dienste uns die dann gelieferte Waschmaschine geleistet hat!?
Comment by lunamea — 20. January 2009 @ 20:33