Misslungene Privatisierung einer Hühnerkolchose

Huhn

Ehemalig sozialistische Staatshenne: Don't eat me this way

In Ungarn gab es in der Zeit des Staatssozialismus natürlich, genauso wie in allen anderen Ländern des sozialistischen Lagers, die kollektivierte Landwirtschaft. Nach der Wende 1989/90 wurden diese Großbetriebe privatisiert, wobei – so ein häufig vernommener Vorwurf der Nicht-Sozialisten hier in Ungarn – die Sozialisten aufgrund ihrer Kontakte in der Lage waren, sich die attraktivsten Betriebe für eine Handvoll Forint unter den Nagel zu reißen. Der derzeitige Ministerpräsident, Ferenc Gyurcsány, hat in dieser Zeit das Fundament gelegt für sein Vermögen, das mittlerweile die Grenze von 1 Milliarde Forint (das sind nur ungefähr 4 Millionen €, aber “Forintmilliardär” klingt so richtig nach bösem Industriemagnat) überschritten hat. Das weiß jeder in Ungarn.

Durch unseren Aufenthalt am ungarischen Parlament konnten wir aber einen echten Skandal der Privatisierung im Bereich der Landwirtschaft aufdecken. Ganz offensichtlich ist es der Verwaltung des Parlaments gelungen, unmittelbar nach der Wende eine größere Geflügelkolchose (dem Vernehmen nach in der Nähe von Kiskunfélegyháza [sprich: Kischkuhnfehledjhahsa]) für einen Apfel und ein…, also, auf jeden Fall für einen sehr günstigen Preis zu übernehmen. Woher wir das wissen? Nun, man muss nur mal einen Blick werfen auf die Speisekarte der Parlamentskantine (die übrigens auf den schönen Namen “Gala Party Service” hört):

Montag: Hähnchenschnitzel mit Reis

Dienstag: Hähnchenkeule mit Pommes

Mittwoch: Paniertes Hähnchenbrustfilet mit Kartoffeln

Donnerstag: Hühnergulasch, dazu auf Wunsch ein Ei

Freitag: Hähnchenschaschlik mit Paprika

Vielleicht werde ich hier noch zum Vegetarier. Oder ich esse im Dezember in Deutschland einen Monat lang nur Schweinefleisch. Jeden Tag.

[Bild: Wikipedia, Lizenz]

veröffentlicht am 18. October 2008 um 18.06 Uhr
in Kategorie: Journal

5 Kommentare »

  1. Das klingt ja fast so, als wolltest du den abwechslungsreichen und vielseitigen Speisenplan des ungarischen Parlaments verunglimpfen. Als ob du nicht stets satt geworden wärst! Und die Bedienung war auch immer freundlich. Das ist mehr, als man von vielen anderen Kantinen sagen kann. Außerdem hast du die Variationsmöglichkeiten bei der Soße unterschlagen: neben Ketchup und Senf konnte auch Majonaise oder Tartármártás gewählt werden. DAS nenn ich Vielfalt!

    Comment by lunamea — 20. January 2009 @ 20:29

  2. Niemals würde ich unsere Gastgeber verunglimpfen. Aber im Außenministerium war’s auch lecker, und die Bedienung war freundlich und sprach deutsch. Das war mir zwar nicht so wichtig, aber T. hat’s gefreut.

    Comment by tapastalatukat — 20. January 2009 @ 21:03

  3. Ich erinner mich nicht mehr ans Außenministerium… Ich war also dabei…

    Unabhängig davon wird man ja andauernd darauf hingewiesen, wie gesund Geflügel ist. Insofern würde ich den Einfallsreichtum unserer Gastgeber mehr als besorgt um uns bezeichnen statt als ideenlos.

    Comment by lunamea — 21. January 2009 @ 19:20

  4. …wie gesund Geflügel ist…

    Ich sage nur: Unser tägliches Antibiotikum gib’ uns heute…

    Comment by tapastalatukat — 21. January 2009 @ 21:15

  5. ach, das findest du in anderen Fleischsorten ganz genauso.

    Comment by lunamea — 23. January 2009 @ 09:31

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