Winnenden: eine einfache Erklärung

In Winnenden ist das Blut im Klassenzimmer noch nicht ganz trocken, da kennt der Guardian schon die Ursache des Massakers:

There seems to be something wrong with German schools. […] It might have something to do with the way the German schooling system works. German state schools have remained traditional, hierarchical institutions. Teachers are often quite old and lack social and psychological training. The average age of a teacher in Berlin, for example, is 54. The competition among pupils is tough and performance is the only thing that matters. Studies have shown that Germany is one of the countries with the least social mobility in Europe. If you fail at school, your chances in life narrow dramatically. During the past ten years – after drastic reforms of the labour market and cuts in the welfare system – the social pressure has risen. Both the teenagers who became killers had problems at school, and for Tim, his former school seems to have epitomised the society he hated.

Eine einfache Erklärung. Die schulpolitische Debatte zwischen Links und Rechts wird ja nun schon seit Jahrzehnten geführt. Dass nun ein solches Verbrechen auch sofort von den Kritikern des derzeitigen Schulsystems vereinnahmt wird, ist aber einfach nur ekelhaft.

Auch nach diesem Massenmord an einer deutschen Schule werden jetzt wieder diejenigen aus ihren Löchern kriechen, die davor warnen, gewaltverherrlichende Computerspiele verantwortlich zu machen. Zur Erinnerung nochmal die Fakten:

Der Täter von Erfurt spielte ein Counter-Strike ähnliches Computerspiel.
Der Täter von Emsdetten spielte Counter-Strike.
Der Täter von Winnenden spielte Counter-Strike.

Sicher, gewaltverherrlichende Software erklärt noch nicht das Verhalten dieser gestörten Kids. Klar, nicht jeder Counter-Strike-Spieler ist ein potentieller Massenmörder. Das gilt aber genauso für andere Dinge: Nicht jeder Waffenbesitzer ist ein potentieller Massenmörder. Trotzdem ist die Möglichkeit des Waffenbesitzes in Deutschland – mit gutem Grund – durch gesetzliche Auflagen stark eingeschränkt.

Zugang zu Waffen, Frustration, Mobbing, vergeigte Schulabschlüsse, Ego-Shooter – Schul-Amokläufe wie in Winnenden sind, das lehren die Beispiele, immer Ergebnis mehrerer Dinge, die zusammengekommen sind. Wäre es wirklich so verkehrt, wenn man versucht, eine dieser Amoklauf-Zutaten – die Ego-Shooter – durch ein strengeres Verbot außer Verkehr zu ziehen?

veröffentlicht am 12. March 2009 um 16.17 Uhr
in Kategorie: In der Welt

11 Kommentare »

  1. Liest da also noch einer Guardian online. 🙂 Fürwahr ekelhaft, der Artikel.

    Was die Computerspiele angeht, da hast Du in Herrn Alphonso einen Verbündeten.

    Comment by Niels — 12. March 2009 @ 16:56

  2. Also mal im Ernst. Kann schon sein, dass man beim Counterstrikespielen irgendwas lernt. Superduper. Aber ich sags mal so: Hast du schon mal versucht, mit 220 Counterstrike-CDs bewaffnet Amok zu laufen?
    Merkste was? Mit Schusswaffen kann jeder auch ohne Counterstrike effektiv und “sehr männlich” durchdrehen, er kann auch einfach von einem seiner tollen männlichen Vorbilder lernen, dass Männer nicht diskutieren und lieber zuschlagen oder schießen… Mit Counterstrike ohne Schusswaffen kann man sehr aggressiv sein, was man auch ohne Counterstrike kann, aber man kann sehr schlecht einen Massenmord verüben…
    Man beachte also die Verhältnismäßigkeit bzw. die Richtung, in die man Vergleiche anstellt. 😉

    Comment by Stefan Spiess — 12. March 2009 @ 19:46

  3. Ich habe nicht behauptet, nur die Benutzung von Counter Strike habe zu Amokläufen geführt. Es sind immer mehrere Dinge gewesen, die zusammengekommen sind. Schusswaffen waren die primären Tatwerkzeuge. Aber alle Täter waren eben auch Ego Shooter-Nutzer. Das, zusammen mit der Verfügbarkeit von Waffen, führte letztlich, zusammen mit weiteren Faktoren, zu den Amokläufen.
    Angesichts der Tatsache, dass das Waffenrecht in Deutschland bereits recht streng ist, wäre es sehr viel einfacher, an der Verfügbarkeit dieser menschenverachtenden Programme etwas zu ändern.

    Comment by tapastalatukat — 12. March 2009 @ 19:53

  4. meiner Meinung nach..:
    in the news I heared: police has investigated some especially violent pc-games on his pc.
    Almost every second teenager play that Counter-strike. It is quite easy to find connection between violence and pc-games, and sounds great; but they could also say: yes, we’ve investigated a television is his room.
    Violence and agressive acting as a possible solution for everyday problems- that is what you got from the tv.
    (I’m just fed up with tv. Since some weeks ago I stay clear of tv, reading instead books one after the other, and feel myself much better, than before. )
    🙂

    Comment by zsu — 12. March 2009 @ 21:52

  5. “Aber alle Täter waren eben auch Ego Shooter-Nutzer. “

    Trotzdem ist diese Argumentation noch reichlich dünn. Du und ich haben keine Egoshooter ausprobiert, aber insgesamt ist der Anteil der Egoshooter-Nutzer an der männlichen Bevölkerung zwischen 14 und 18 sehr groß. Wenn Du nun noch berücksichtigst, dass -über Amoktaten hinausgehend- Gewaltkriminalität ein typisch männliches Phänomen ist, wird es schon schwierig, beim Zusammenhang von Counterstrike und Amoktaten zwischen Kausalität und Koinzidenz zu unterscheiden.

    Comment by Niels — 12. March 2009 @ 23:04

  6. Almost every second teenager play that Counter-strike.

    insgesamt ist der Anteil der Egoshooter-Nutzer an der männlichen Bevölkerung zwischen 14 und 18 sehr groß

    Angesichts der Tatsache, dass die bereits nach geltendem Recht diese Spiele nicht besitzen dürfen, ist das ja auch kein Zustand, mit dem man sich abfinden muss, oder?

    Comment by tapastalatukat — 13. March 2009 @ 06:36

  7. @ Niels: Es geht mir nicht um eine wissenschaftlich abgesicherte Argumentation. Den Beweis, dass Ego-Shooter Amokläufe zumindest partiell auslösen, wird man nie führen können. Aber nach gesundem Menschenverstand besteht ein Zusammenhang. Die bissigen Liberalen sagen dazu:

    Richtig ist, dass eine Korrelation alleine keine Kausalität begründet. Aber wenn das Spielen von Ego-Shootern nun einmal, wie der Name schon sagt, daraus besteht, dass der Spieler eine Menge von Gegnern/Feinden umnietet, dann ist das eine andere Korrelation als die, dass er auch Tischtennis spielte.

    Eine wichtige Frage ist: Wie berechtigt ist das Interesse der 99,99 % CS-Spieler, die nicht zu Amokläufern werden, weiterhin CS zu spielen? Angesichts der menschenverachtenden Natur dieser Spiele habe ich da leise Zweifel.

    Comment by tapastalatukat — 13. March 2009 @ 07:51

  8. Nach geltendem Recht, darf Counterstrike ab 16 gespielt werden und ist damit keinesfalls indiziert (und übrigens auch nicht als Gewaltverherrlichend eingestuft worden).

    Comment by Jan — 17. March 2009 @ 15:57

  9. @Jan: Stimmt, vielen Dank für den Hinweis.

    Comment by tapastalatukat — 17. March 2009 @ 16:19

  10. Ich weiß nicht, weshalb ich tatsächlich alle Deine Einträge vom neuesten bis zu diesem hier gelesen habe. Jedenfalls hab ich das.
    Und nun möchte ich Dich (ohne jede Häme) bitten, dich nie wieder als “liberal” zu bezeichnen oder Dich wenigstens ernsthaft mit der Frage zu beschäftigen, ob Du, die Du die Pläne von der Leyens ebenso wenig kritisiert sehen willst wie die eines Herren Schäuble, die Du zudem ein gesetzliches Verbot bestimmter Spiele befürwortest – ob Du bei Deinem Regulierungsdrang ernsthaft liberal sein kannst. Es mag nicht en vogue sein, aber eine Schande ist es sicher nicht, nicht liberal zu sein. Face it!

    Zur Sache. Kriegsspiele sind so alt wie die Menschheit. Und ganz selbstverständlich sind Leute, die zu Amokläufen neigen auch solche, die zu Kreigsspielen neigen, welche ihnen die Möglichkeit eröffnet, ihr Gewaltpotential, das natürlich ist und für das sie nichts können, opferlos zu kanalisieren. Ursache und Wirkung bewusst zu verdrehen, nur um ein Verbot durchzusetzen, ist nicht liberal. Das ist ja noch nicht mal Grün. Und auf gar keinen Fall ist es sinnvoll.

    Comment by Sebastian — 30. May 2009 @ 10:02

  11. Ich weiß nicht, weshalb ich tatsächlich alle Deine Einträge vom neuesten bis zu diesem hier gelesen habe.

    Na, hoffentlich, weil Du sie interessant fandest!

    Zu meiner Liberalität: Immerhin bin ich so liberal, Dir zuzugestehen hier zu behaupten, ich sei illiberal. Jede liberale Ordnung benötigt aber auch Grenzen. Diese Grenzen – in Form einer Art gesellschaftlichen Konsenses – bilden letztlich auch das Fundament für Liberalität. Ansonten gilt: Im liberalen Sinne heißt liberal nicht nur liberal.

    Comment by tapastalatukat — 30. May 2009 @ 12:45

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