American Places V: Oregon Coast

Meine Güte, schon fast ein halbes Jahr, seit ich hier was über unsere Amerikareise gepostet habe. Und die Reise selbst ist jetzt auch schon anderthalb Jahre her.

Haystack Rock, 72 m hoch

Die Küste von Oregon auf jeden Fall war einer der Höhepunkte.  Dazu hat sicher beigetragen, dass wir ganz passables Wetter hatten (das schlechte Wetter in Oregon ist sprichwörtlich) und alle Zeit der Welt. Oregon liegt am Pazifik zwischen Washington im Norden und Kalifornien im Süden. Die Küste ist knapp 600 km lang, und man kann fast die ganze Strecke auf der US Route 101 entlang fahren. Wir haben uns dafür drei Tage Zeit gelassen.

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Dass Oregon nicht typisch ist für die USA, merkt man sehr bald, nachdem man die Staatsgrenze überquert hat. Portland ist schon seit einigen Jahren die heimliche Hauptstadt eines etwas alternativen Lebensstils. An der Küste merkt man das an der hohen Zahl an Freizeit-Fahrradfahrern, von denen die meisten die ganze Strecke in ungefähr einer Woche zurücklegen.

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Was gibt es zu sehen? Nichts. Keine Golden Gate Bridge, keine Wolkenkratzer, keine spektakulären Canyons. Die Küste Oregons ist gerade deswegen so sehenswert, weil man – als Europäer – in aller Regel vorher noch nichts davon gehört hat. Dabei ist die Küste landschaftlich sehr abwechslungsreich. Steilküsten, Sanddünen, Halbinseln, Klippen, riesige Felsen im Meer – alles Dinge, die es so an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste nicht gibt.

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Dazu kommen die kleinen Orte. (Große Orte gibt es hier nicht.) Direkt hinter der Küste erhebt sich fast überall eine dicht bewaldete Bergkette. Außer einigen kleinen Dörfern direkt an der Küste gibt es hier nicht viel. Die Route 101 ist die einzige Lebensader – wenn es hier einen Erdrutsch gäbe oder ähnliches, müsste man häufig einen mehrere 100 km großen Umweg durchs Hinterland fahren. Denn Hinterland bedeutet hier vor allem und meistens: Wald und Berge (und gelegentlich mal ein Braunbär).

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Die Menschen sind enorm freundlich, wie eigentlich überall im Pacific Northwest. Obwohl die Gegend relativ viele Touristen sieht, schaffen es die meisten Leute, mit denen man als Tourist zu tun hat, sich offen und ehrlich für den Gast zu interessieren (oder ihm zumindest dieses Gefühl zu vermitteln).

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Also: Wenn man in Oregon ist, ein paar Tage Zeit hat und einen Mietwagen: Landkarte kaufen, volltanken, losfahren. Wenn es einem gefällt: anhalten, aussteigen, am Strand laufen. Durch Küstenwald laufen. Am Ende kann man noch die kalifornische Küste dranhängen, aber das ist ein anderes Thema.

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American Places IV: Mount St Helens

Kann man sich einen Kubikkilometer vorstellen? Einen Würfel von 1000 Meter Kantenlänge? Ein Kubikkilometer entspricht einer Milliarde Kubikmeter. Wenn man ein Gewicht von nur einer Tonne pro Kubikmeter annimmt, wären das also 1 Milliarde Tonnen. Ich will das nicht in Güterzüge usw. umrechnen, aber es ist verdammt viel.

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Am Vormittag des 18. Mai 1980 haben sich am Nordhang des Mount St. Helens in Washington ungefähr 2,8 Kubikkilometer Erdreich auf einmal in Bewegung gesetzt und sind innerhalb weniger Sekunden weggerutscht, woraufhin sich das brodelnde Innere des Vulkans, der schon seit Wochen wie ein Dampfkochtopf unter Überdruck stand, mit Geschwindigkeiten von über 1.000 km/h entladen hat. Das Ergebnis war eine verwüstete Fläche von annähernd 1.000 Quadratkilometern, Tausende tote Tiere, 600 Quadratkilometer Wald (hätte ausgereicht, um 300.000 Einfamilienhäuser zu bauen), flachgemäht wie sprichwörtliche Streichhölzer, ein See, dessen Inhalt knapp 200 Meter hoch den Hang eines Hügels hoch- und wieder zurückschwappte. 50 Tote, teilweise begraben unter 180 Meter Schutt.

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Selbst heute, 30 Jahre später, kann man der Landschaft diese Katastrophe noch deutlich ansehen. Zwar wird sich die Natur das Umland des Vulkans mehr und mehr zurückholen, doch der Berg selbst, der vorher so schön symmetrisch aussah wie der Berg Fuji in Japan, erinnert jetzt eher an einen hohlen Zahn.

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Es drängt sich der Eindruck auf, dass das Land der Superlative auch bei den Naturkatastrophen ganz vorne mitspielen muss. Auf jeden Fall ist ein Besuch am Mount St Helens sehr eindrucksvoll und zeigt einmal mehr, auf was für einer empfindlichen Grenzschicht zwischen kochendem Erdinneren und luftleerem Weltraum unsere Existenz sich abspielt.

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American Places III: San Juan Islands

Ganz an der linken oberen Ecke der USA, wo der 49. Breitengrad auf den Pazifik trifft, liegt zwischen der kanadischen Vancouver Island und dem Festland die San Juan Islands. Im Gegensatz zu Kanada ist die Fährgesellschaft hier noch nicht privatisiert, und so sehen die Fähren auch, nun ja, sehr rustikal aus. Aber irgendwie passt dieses Altmodische zu den drei Inseln und ihren Bewohnern. Auf dem Festland haben die Inseln den Ruf, dass dort alles etwas langsamer, gemächlicher und traditioneller zugeht. Außerdem, so scheint es, haben sich auf den Inseln vor allem die alternativ denkenden Menschen niedergelassen, was im sowieso schon links-alternativen Pacific Northwest schon etwas heißt.

Fähre des Washington State Dept. of Transportation

Fähre des Washington State Dept. of Transportation

Auf den Inseln angekommen, fühlt sich der Amerikareisende ganz unwillkürlich um einige Jahrzehnte zurückversetzt. Filme, die in den Fünfzigerjahren spielen, wie Snow Falling on Cedars, kommen ins Gedächtnis. Hier gibt es keine vierspurigen Straßen, keine Fast Food-Restaurants, keine Shopping Malls. Die kleinen Städtchen wirken vollkommen aus der Zeit gefallen.

Hat "Cash for Clunkers" überlebt

Hat "Cash for Clunkers" überlebt

Es gibt hier jede Menge zu tun und zu sehen. Zum Beispiel einen historischen Park, der an einen Beinahe-Krieg zwischen Briten und Amerikanern erinnert. Auslöser des Streites war übrigens der Diebstahl eines Schweins. Geschlichtet wurde der Pig War ausgerechnet vom deutschen Kaiser Wilhelm I.

Auf dem Schlachtfeld des Schweinekrieges

Auf dem Schlachtfeld des Schweinekrieges

Oder man guckt sich Wale an – das geht hier sogar von Land aus. Die Orcas ziehen nur wenige 100 Meter vor der Südküste der Hauptinsel San Juan vorbei.

Oder man kann sich in ein Café setzen, das gleichzeitig auch ein kleiner Buchladen ist, und trinkt seinen Kaffee mit Blick auf eine einfach einmalige Landschaft. Dass dieser Blick mit einem kleinen Plastikdinosaurier geteilt wird, der neben einem auf der Theke steht, kommt einem an diesem Ort schon gar nicht mehr merkwürdig vor.

Kaffee mit Saurier

Kaffee mit Saurier

Fazit: Die San Juan-Inseln sind, zumindest bei Amerikareisenden aus Deutschland, ein Geheimtipp. Man könnte, so ein Gedanke, während man über die Inseln fährt, einen ganzen Amerikaurlaub in diesem Mikrokosmos zu verbringen.

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American Places II: Peace Arch Park

Nicht einfach. So kann man mit Recht das Verhältnis der Kanadier zu ihrem großen Nachbarn im Süden beschreiben. Es gibt Vancouverianer, die in ihrer Ablehnung den USA gegenüber soweit gehen, dass sie niemals dort hinfahren – obwohl es, von Vancouver aus, gerade mal eine halbe Stunde zur Grenze ist.

Die Grenzübergangstelle ist nicht so, wie man sie erwarten würde. Auf der Grenzlinie und drumherum ein schicker Park mit einem klassizistischen Bogen, der an den Frieden von 1814 zwischen den beiden Staaten erinnern soll. Die Grenzlinie – der 49. Breitengrad, der hier auf den Pazifik trifft – kann man hier beliebig oft überschreiten, ganz ohne Kontrolle, der Abgabe von Fingerabdrücken und dem Beantworten von Fragen der Homeland Security.

Bei der Ausreise aus den USA in den Norden wird man sowieso nicht kontrolliert, ebensowenig bei der Ausreise aus Kanada. Es wäre wohl nicht allzu schwer, sich hier an den Kontrollen vorbeizumogeln. Einen Grenzzaun wie in Tijuana gibt’s hier nicht. Offenbar wollen nicht allzu viele Kanadier in den USA illegal arbeiten. Wenn man legalerweise weiter in den Süden will, kommt man aber um eine Kontrolle nicht herum. Über diese Kontrolle wird viel Schlimmes verbreitet in Europa. Man werde von den Beamten wie ein potentieller Verbrecher behandelt, erkennungsdienstlich behandelt und nur widerwillig ins Land gelassen. Natürlich stimmt daran einiges: Eine Webcam macht ein Foto, während man dem Beamten gegenübersteht. Man legt seine Hand auf ein Sensorfeld, welches die Fingerabdrücke registriert und speichert. Man muss – trotz obligatorischer Voranmeldung im Internet – immer noch eine grüne Karte ausfüllen und Fragen zum Beispiel darüber beantworten, ob man vorhat, größere kriminelle Aktionen in den USA zu unternehmen, oder ob man an der Auslöschung der europäischen Juden 1933 bis 1945 beteiligt war. Wie böse und verurteilenswert diese Prozedur ist, muss letztlich jeder selbst für sich entscheiden.

Direkt auf der kanadischen Seite des 49. Breitengrades: 0 Avenue

Direkt auf der kanadischen Seite des 49. Breitengrades: 0 Avenue

Skeptisch war ich auf jeden Fall – bis zu dem Moment, wo man dann wirklich dem Beamten der Homeland Security gegenübersteht. Von da an wandelte sich das Bild. Die Beamten sind nämlich, und soweit ich von zwei Ein- und Ausreisen sagen kann, ausnahmslos, höflich, zuvorkommend, freundlich. Sind bereit zu Scherzen über die Unmengen an Stempeln, die sie auf die Formulare drücken. Klar, die Regelungen werden eingehalten, Fingerabdrücke, Formulare, Fotos. Aber die Höflichkeit der Beamten: Wieder ein Feindbild weniger…

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American Places I: Sunshine Coast, BC

Am nördlichen Stadtrand von Vancouver hört die Straße auf. Vom Flughafen Los Angeles, 2000 km weiter südlich und 20 Grad wärmer, bis hierhin hat es auf der Interstate 5 gut zwei Tage gedauert. Von hier nach Norden führt an der Küste keine Straße mehr, nur weit, weit im Inland der Alaska Highway. Wer weiter nach Norden reisen will, nimmt eines der Wasserflugzeuge, die im Hafen von Vancouver unaufhörlich landen und starten.
BC Ferries bei der Arbeit
Doch ein kleines Stück Zivilisation hinter dem Ende der Straße gibt es doch noch: Vom Fährhafen Horseshoe Bay fährt man eine knappe Stunde nach Gibsons. Tief hängen die grauen, regenreichen Wolken, die nach ihrer Reise über mehrere tausend Kilometer leeren Pazifik hinweg dankbar ihre Ladung an den Bergen British Columbias abladen: Die Landschaft ist voll von überbordendem Grün. Der Name dieser Küste – Sunshine Coast – will zunächst nicht so recht passen, um es vorsichtig auszudrücken.
Gibsons, British Columbia
Gibsons, zwar auf dem Festland gelegen, aber nur per Fähre zu erreichen, bildet das südliche Ende dieses Stückes Zivilisation hinter der Zivilisation: einige Dutzend Kilometer Straße an der Küste zur Strait of Georgia, die zwischen Festland und der langgezogenen, vorgelagerten Vancouver Island liegt. Ein kleiner Fischerort, der mich sofort an die Darstellung kleiner Fischerorte in Lustigen Taschenbüchern erinnert: Ein paar Fischkutter im grauen Wasser des Hafens, langsam-unaufgeregtes Leben auf zwei, drei Straßen. Hinter dem Ort an der Straße hie und da Villen reicher Vancouverianer, zwischendurch immer wieder Durchblicke zum Meer. Ab und zu Fährüberfahrten hindurch zwischen unbewohnten Inseln.
Strait of Georgia
Doch Sunshine Coast überrascht. Nach einigen Stunden Fahrt hört der Regen auf, die Sonne bricht durch, und beim Picknick wird es auf einmal sogar warm. Dann, auf der Überfahrt hinüber nach Vancouver Island: Strahlender Sonnenschein.
Überfahrt zu Vancouver Island
Sunshine Coast ist ein Stück Zivilisation vor der Wildnis. Links von der Straße der Ozean, rechts davon einige 100 km bis zur nächsten Straße – näher kann man der legendären amerikanischen frontier nicht mehr kommen im 21. Jahrhundert.

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American Places

On the road...
Die schönste Freude ist die Vorfreude. Beim Reisen kommt die Nachfreude hinzu: Zuhause sitzend, kann man auch Monate oder gar Jahre später die zurückliegende Reise nachvollziehen. Im September 2009 waren wir über vier Wochen lang in den USA und Kanada unterwegs, in Kalifornien, Nevada, Oregon, Washington und in British Columbia. Fast 10.000 km sind wir gefahren. In der Serie American Places sollen hier in den nächsten Monaten einige Orte entlang dieser 10.000 km vorgestellt werden.

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