Reise nach Jerusalem, Teil 2: Die syrische Braut
Der erste Film, den wir zur Vorbereitung der Israelreise gesehen hatten (Die Band von nebenan) war 100 % Fiction. Es gibt kein Polizeiorchester von Alexandria, dass sich in der israelischen Wüste geographisch verirrt und dabei im ehemaligen Feind die Menschen findet.
Beim Film Die syrische Braut ist das ganz anders. Der Film spielt am anderen Ende Israels: Nicht in der Wüste im Süden, sondern in den Golanhöhen im Nordosten.
Die Lage dort ist kompliziert: Der Golan ist von Israel besetzt, Syrien will ihn zurück. Im Golan leben unter anderem Drusen – in einem Land unheimlich komplizierter religiöser Verhältnisse sind die Drusen so etwas wie das Zitronencreme-Bällchen auf dem Kosakenzipfel. Sie sind nicht Moslems, aber ihre Religion ist aus dem Islam hervorgegangen. Man könnte sie als islamische Sekte bezeichnen. In Israel lebt eine große drusische Gruppe im bergigen Hinterland von Haifa. Diese Gruppe ist sehr gut integriert und steht den Juden näher als den Arabern.
Anders ist es mit den Drusen im Golan: Diese sind mehrheitlich prosyrisch und lehnen die israelische Besetzung entschieden ab. Durch die Waffenstillstandslinie von 1974 ist die drusische Gemeinschaft im Golan in zwei Hälften zerschnitten worden. Weil Syrien und Israel bis heute keinen Friedensvertrag geschlossen haben, ist die Grenze eigentlich vollkommen undurchlässig und wird von UNO-Blauhelmen bewacht.
Diese komplizierte Lage ist der Hintergrund für Die syrische Braut. Der Film schafft es, diese Zusammenhänge nebenbei zu vermitteln – alleine das ist schon eine Leistung. Dann spielt der Film an nur einem Tag und schildert eine Hochzeit. Die Besonderheit: Die Braut kommt aus dem israelischen, der Bräutigam aus dem syrischen Teil des Golans. Aus humanitären Gründen lässt Israel drusische Bräute über die Grenze nach Syrien ausreisen – der Preis dafür: Der Verlust aller israelischen Papiere und insbesondere der Verlust der Möglichkeit, je wieder nach Israel zu kommen. Für die syrische Braut im Film ist der Hochzeitstag also der letzte Tag, an dem sie ihre Eltern und Geschwister sehen wird – denn diese dürfen natürlich nicht nach Syrien einreisen. Außerdem hat sie vorher ihren Bräutigam nie zu Gesicht bekommen, was auch einige Zweifel an der ganzen Sache aufkommen lässt.
All das ist eben nicht Fiction, sondern ist im Golan Realität. Der Film findet dafür eine ganz unaufgeregte Bildsprache und schildert diesen Tag auf der syrischen, vor allem aber auf der israelischen Seite. Gut, einige Dinge im Drehbuch sind vielleicht etwas zu sehr auf die Spitze getrieben: Da ist der Vater, der wegen seiner prosyrischen Haltung Probleme mit dem israelischen Polizeichef hat. Ein Bruder der Braut hat eine Russin geheiratet und wird deswegen von der drusischen Gemeinschaft, inklusive eigenem Vater, geächtet. Ein anderer Bruder hatte ein Verhältnis just mit genau der UNO/Rotes Kreuz-Mitarbeiterin, die nachher den Transfer der Braut durch die neutrale Zone zwischen israelischer und syrischer Stellung organisieren muss. Die Liste ließe sich noch um einiges fortsetzen. Der Drehbuchschreiber wollte offenbar ein Panoptikum für die komplizierten politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge der drusischen Gemeinschaft schaffen. Interessant und äußerst sehenswert ist der Film aber trotz dieser Überladenheit.