Georg Büchner: Der Hessische Landbote (1000 Bücher: 8)

Georg Büchner: Der Hessische Landbote, Offenbach 1834.

Vor ein paar Tagen fiel mir ein altes Reclam-Heft aus vergangenen Schülertagen in die Hände: Georg Büchners Hessischer Landbote. Die 17 Seiten waren schnell (während der Wartezeit beim Friseur) gelesen. Büchner hat dieses Pamphlet 1834 verfasst; er wollte die von der adeligen Herrschaft unterdrückte Bevölkerung wachrütteln und zu einem Aufstand bewegen nach Vorbild der Französischen Revolution: “Friede den Hütten! Krieg den Palästen!”. Das wusste ich noch aus meinem Grundkurs Deutsch. Aber bei der erneuten Lektüre sind mir noch zwei neue Punkte aufgefallen.

Zum einen ist der Text von vorne bis hinten mit religiöser Metaphorik durchsetzt und stellt die gewünschte Revolution auch in einen heilsgeschichtlichen Kontext: “Deutschland ist jetzt ein Leichenfeld, bald wird es ein Paradies sein.” Auf jeder Seite des Aufrufs wird das Geschehen der Vergangenheit und die Revolution der Zukunft religiös erklärt, wird Gott sogar als Verantwortlicher genannt für geschehenes Unrecht:

Weil das deutsche Reich morsch und faul war und die Deutschen von Gott und von der Freiheit abgefallen waren, hat Gott das Reich zu Trümmern gehen lassen, um es zu einem Freistaat zu verjüngen. Er hat eine Zeitlang den Satansengeln Gewalt gegeben, daß sie Deutschland mit Fäusten schlügen

Büchners Aufruf endet:

Ihr wühlet ein langes Leben die Erde auf, dann wühlt ihr euren Tyrannen ein Grab. Ihr bauet die Zwingburgen, dann stürzt ihr sie und bauet der Freiheit Haus. Dann könnt ihr eure Kinder frei taufen mit dem Wasser des Lebens. Und bis der Herr euch ruft durch seine Boten und Zeichen, wachet und rüstet euch im Geiste und betet ihr selbst und lehrt eure Kinder beten: “Herr, zerbrich den Stecken unserer Treiber und laß dein Reich zu uns kommen – das Reich der Gerechtigkeit. Amen.”

Mich hat diese religiöse Rhetorik sehr an islamische Heilsversprechen der Gegenwart erinnert (auch wenn es da natürlich große Unterschiede gibt). Büchners Revolution, wenn sie denn gekommen wäre, wäre eine sehr fromme Revolution gewesen.

Die zweite bemerkenswerte Eigenschaft an Büchners Text betrifft die soziale Frage. Der Hessische Landbote prangert nicht nur die mangelnde Freiheit an, sondern auch die himmelschreiende soziale Ungerechtigkeit des Spätfeudalismus:

Der Bauer geht hinter dem Pflug, der Vornehme aber geht hinter ihm und dem Pflug und treibt ihn mit den Ochsen am Pflug, er nimmt das Korn und läßt ihm die Stoppeln. Das Leben des  Bauern ist ein langer Werktag; Fremde verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen.

Doch geht es Büchner nicht um staatliche Transferleistungen, sondern um eine Reduzierung der Steuerlast. Detailliert schildert Büchner, Haushaltsposten für Haushaltsposten, wer die Steuern zahlt und wofür sie verwendet werden. Die soziale Frage, so bekommt man den Eindruck, ließe sich nach Büchners Vorstellung vor allem durch Steuersenkungspolitik und Bürokratieabbau lösen:

Für das Ministerium des Innern […] werden bezahlt 1.110.607 Gulden. Dafür habt ihr einen Wust von Gesetzen, zusammengehäuft aus willkürlichen Verordnungen aller Jahrhunderte, meist geschrieben in einer fremden Sprache. Der Unsinn aller vorigen Geschlechter hat sich darin auf euch vererbt, der Druck, unter dem sie erlagen, sich auf euch fortgewälzt.

Für Büchner gehen Freiheitlichkeit und eine Verbesserung der sozialen Frage Hand in Hand. Ein freiheitlicher Staat ist die Bedingung für ein menschenwürdiges Leben. Von Büchner könnten viele linke Politiker, die allein in Umverteilung die Lösung von sozialen Missständen sehen, eine Menge lernen.

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Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein (1000 Bücher: 7)

Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein, München 1983.

O je! O weh! Was soll ich tun? Mich faßt Verzweiflung! O Jammer und Not! Ojeoje, ojemine! Die Sorgen! O Verzweiflung! O drohend Ungemach! Ach, ach, so grauenvolle Untat ward noch nie begangen! O weia, o weia!

O je! O weh! Was soll ich tun? Mich faßt Verzweiflung! O Jammer und Not! Ojeoje, ojemine! Die Sorgen! O Verzweiflung! O drohend Ungemach! Ach, ach, so grauenvolle Untat ward noch nie begangen! O weia, o weia!

Hier kann ich es kurz machen. Watzlawick und ich sind miteinander nicht warm geworden. Vielleicht lag es daran, dass ich das Buch als Wartezimmerlektüre ausgesucht hatte, vielleicht daran, dass ich mich nicht als unglücklichen Mensch beschreiben würde. Gut, manche der Mechanismen, mit denen wir uns unsere eigene Existenz schwerer machen als notwendig, kamen mir bekannt vor, sei es aus eigener Erfahrung oder aus der Beobachtung der Mitmenschen. Aber ich fand das alles dermaßen zäh erzählt, dass ich nach knapp drei Vierteln das Buch aus der Hand gelegt habe.

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Kleine Statistik über meinen Zeitvertreib seit Sonntag morgen

Komische Flecken am Bein: 1

In Wartezimmern verbrachte Stunden: 4

Beim Warten gelesene “Bunte”-Artikel (die anderen Zeitschriften waren noch flacher): 3

Bezahlte Gebühren in €: 25

Konsultierte Ärzte: 3

Voneinander abweichende Diagnosen: 4

Alles wird gut.

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Dorfpunks (1000 Filme: 5)

05.05.2009, 20.50 Uhr, Cinemaxx Kiel (Saal 7), 5,00 €

05.05.2009, 20.50 Uhr, Cinemaxx Kiel (Saal 7), 5,00 €

Wenn schon einmal ein Film in der eigenen Heimatstadt spielt und dann auch noch dort produziert wird, dann ist das natürlich ein Pflichttermin. Der aus Lütjenburg stammende Rocko Schamoni (aka Roddy Dangerblood) hatte schon vor ein paar Jahren ein Buch geschrieben, in dem er seine Punk-Jugend in Schmalenstedt schilderte. Im Vergleich zu diesem grandiosen Buch fällt der Film allerdings deutlich ab. Das eine ist die doch arg gewöhnungsbedürftige Musik, die man im Film hören muss, sich im Buch hingegen allenfalls vorzustellen brauchte. Eine eindeutige Fehlbesetzung ist aber das Milchgesicht Cecil von Renner als Roddy Dangerblood. Jemand, der die ganze Zeit lächelt, keinen Bartwuchs hat und ohne Probleme als Schwiegermutterliebling durchgehen kann, wirkt einfach nicht authentisch, wenn er sich Bier zum Stylen ins Haar kippt. Von Renner ist sicher ein guter Nachwuchsdarsteller, aber eben ungeeignet für diese Figur. Überhaupt hatte ich viele Dinge aus dem Buch deutlich härter in Erinnerung als sie im Film gezeigt werden. War da nicht was mit Rasierklingen, mit denen sich die Jungs zum Spaß in die Oberarme geritzt haben? Der Film zeigt es nicht nur nicht, es ist auch völlig undenkbar. Das Rebellieren bleibt Attitüde. Stattdessen wird vor allem in Panoramaaufnahmen die schöne Landschaft Ostholsteins gezeigt, in der Roddy mit seinen Freunden abwechselnd von links oder von rechts durchs Bild läuft. Das Drehbuch wäre also auf jeden Fall arg verbesserungsbedürftig gewesen.

Was den Film dann doch noch irgendwie rettet, ist der Plot – der stimmt nämlich. Wer Dorfpunks gelesen hat, weiß, dass Roddy Dangerblood sehr viel bürgerlicher ist, als er sich selbst zugestehen wollte. Im Grunde genommen wollte Roddy – anders als viele seiner Freunde – selbst etwas erreichen, sich selbst verwirklichen. Im Film entfremdet sich Roddy immer mehr von seinen Freunden, die entweder vollkommen im Drogensumpf steckenbleiben, eine Band, die überhaupt Musik macht, für faschistisch halten oder auf einmal dringend den elterlichen Trecker reparieren müssen. Nur Roddy bzw. Rocko Schamoni gelingt nicht nur der Ausbruch aus der Schmalenstedter Enge, sondern eben auch (sehr viel später) der Erfolg als Künstler.

Als zweites Plus hinzu kommt die Detailtreue des Films. Das eine sind die Originalschauplätze in Lütjenburg (vor allem Niederstraße und Gildeplatz), in Schönberg, am Hessenstein sowie im weltbekannten “Schröders” in Behrensdorf, das andere die Ausstattung: Woher bekommt man heute mehrere 100 Dosen “Karlsquell“-Bier (damals die Hausmarke der Firma Albrecht Discount), noch dazu mit den alten Verschlüssen? Auch bei den Fahrzeugen haben die Macher aufgepasst: VW Käfer, (Polizei-)Passat oder auch ein Bulli kommen vor, alle mit authentischen “PLÖ-” oder “OH-“Kennzeichen in altem Aussehen. Toll auch der Original-Reisebus Mercedes-Benz 0 303 (gestellt vom ebenso authentischen Reisedienst Kähler, die damit immer noch rumfahren). Am krassesten ist aber zweifelsohne der Ford Granada Kombi, mit dem Roddy und Konsorten unterwegs sind. Ford Granada ist Punk – wer hätte das gedacht.

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Amselnachwuchs

04.05.2009, abends

04.05.2009, abends

Mittlerweile ist die weiße Kirschblüte vorbei und die Amseln haben Nachwuchs bekommen, von dem bislang die Eichhörnchen auch noch nichts mitbekommen zu haben scheinen.


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Amsel und Kirsche

19.04.2009, nachmittags

19.04.2009, nachmittags

Mit neuen Balkonpflanzen ist es noch nichts geworden, weil im Busch unmittelbar vor dem Balkon eine Amsel brütet, die wir nicht verschrecken wollen. Dafür fängt der Kirschbaum jetzt an zu blühen.

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April, ausnahmsweise mal ohne Regen

09.04.2009, vormittags

09.04.2009, vormittags

Wird mal langsam Zeit für neue Balkonpflanzen…

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In praise of… Kröhnke & Lau

Kröhnke & Lau

Schon seit Jahren schwöre ich auf italienische Espressokännchen zur Zubereitung meines Kaffees. Preisgünstig, unkompliziert, platzsparend und lecker.

Die einzige regelmäßige Wartungsarbeit an diesen Kännchen ist das Ersetzen der ringförmigen Dichtung, die zwischen Ober- und Unterteil sitzt. Und hier gingen die Probleme los: Weil M. meistens keinen Kaffee möchte, habe ich mir ein Mini-Espressokännchen für eine Tasse von meinen Eltern aus dem Malta-Urlaub mitbringen lassen. Und hierfür gibt es zumindest bei Amazon oder Ebay, den üblichen Verdächtigen also, keine Dichtungen.

Flugs wurden also (im letzten Herbst) Verwandte, die ihren Urlaub südlich der Alpen verbrachten, beauftragt, die passende Dichtung aus Italien selbst zu besorgen. Doch leider besorgten sie die falsche: Nämlich die für die 2-Tassen-Kännchen-Größe. In der Zwischenzeit verwendete ich mein Zweitkännchen, in 3-Tassen-Größe.

Jetzt, fast ein halbes Jahr später, habe ich endlich das Problem gelöst durch einen Besuch bei Kröhnke & Lau, dem legendären Kieler Haushaltswarengeschäft in der Holtenauer Straße, 10 Minuten Fußweg von der Wohnung. Die Verkäuferin wusste sofort, was ich brauchte und griff einmal zielsicher ins Regal. 1,95 €. Das wäre also auch schneller gegangen.

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Gedanken zur Abwrackprämie

Die letzten zwei Wochen haben M. und ich auf Europa-Tournee verbracht: Berlin (Bundestag), Nijmegen (Konzert Paolo Conte), Linz (Familie), Budapest (Familie, Parlament) und schließlich Debrecen (Familie). Alles in allem waren’s ungefähr 4.500 km, davon allein 1.300 km an einem Tag (Heimreise von Budapest nach Kiel).

Und das alles mit einem Panda, der während der Reise seinen 16. Geburtstag gefeiert hat. Da sage noch einer was über angeblich mangelhafte Qualität italienischer Autos. Dabei wäre der Kleine ja geradezu ein Bilderbuch-Kandidat für die staatliche Umwelt- bzw. Abwrackprämie (2.500 € bei Kauf eines Neuwagens). Dumm nur, dass der Verbrauch des Panda bei moderaten  fünf bis sechs Litern auf 100 km liegt, die EURO 2-Abgasnorm erfüllt und somit auch in der Innenstadt deutscher Feinstaubmetropolen bewegt werden darf. Einen Vorteil für die Umwelt würde die Verschrottung also nicht bringen, soviel ist sicher.

Panda an den Gestaden der Donau, südlich von Budapest

Panda an den Gestaden der Donau, südlich von Budapest

Zur Abwrackprämie ist aber auch Positives zu vermelden. Wer in den letzten Wochen mal auf der Autobahn von Linz nach Budapest unterwegs war und den Gegenverkehr beobachtet hat, der kann auf den knapp 500 km problemlos einige 100 Autotransporter zählen, bestückt mit den besten Produkten der ost- und südosteuropäischen Autoindustrie. Neben einigen ungarischen Suzukis sind es hauptsächlich rumänische Dacias, deren Kauf vom deutschen Staat subventioniert wird. Und das ist in der Tat gut – für die Rumänen, die es wirtschaftlich und politisch in den letzten 20 Jahren längst nicht so gut hatten wie ihre sozialistischen Brüder in der Ex-DDR. Es sei ihnen also gegönnt.

Die Deutschen sind in der Tat ein merkwürdiges Volk. Finanziell rechnet sich die Abwrackprämie kaum: Wer nächstes Jahr – nach Auslaufen der Prämie – kauft, wird bei den dann wieder notleidenden Autohändlern einen kräftigen Rabatt bekommen und kann außerdem sein Altauto noch für ein paar 100 € verkaufen. Richtig strange ist aber das Verhalten dieses Käufers, über den heute die FAZ berichtete:

Vor dem Subaru-Autohaus fährt ein VW Käfer vor. Baujahr 1957, schon mit dem größeren Fenster hinten, über der Klappe, unter der die Uralt-Boxermaschine lärmt und stinkt. Der Subaru-Verkäufer ist begeistert und bietet dem Mann spontan 3500 Euro für die rollende Antiquität. Aber der VW-Fahrer ist eigensinnig. Er will, dass das Auto verschrottet wird. „Nach mir soll ihn keiner mehr fahren“, sagt der Mann und wartet, bis die Kennzeichen entfernt sind und er die Bescheinigung für die Verschrottung erhalten hat.

So etwas tut weh. Der Panda zumindest bleibt noch für ein paar Jahre, wenn er sich gut benimmt: 20 Jahre sollten insgesamt ja wohl drin sein.

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Wäsche

17.03.2009, vormittags

17.03.2009, vormittags


Wäsche draußen aufhängen ist in Kiel immer eine Wette aufs Wetter. Heute haben wir gewonnen. (Beim letzten Versuch vor ein paar Wochen mussten wir den Schneematsch von der aufgehängten Bettwäsche fegen…)

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