Regen. 5°. Sonntagmorgen.

08.03.2009, morgens

08.03.2009, morgens


Ich glaube, ich arbeite heute freiwillig.

3 Kommentare


Johanna Adorján: Eine exklusive Liebe (1000 Bücher: 6)

Johanna Adorján: Eine exklusive Liebe, München 2009.

Am 13. Oktober 1991 brachten meine Großeltern sich um.

Friedhof in Budapest

Friedhof in Budapest

Das ist der Paukenschlag, mit dem die Journalistin Johanna Adorján ihr Buch anfängen lässt. Sie erzählt, was ihre Großeltern, Vera und Istvan, am letzten Tag ihres Lebens gemacht haben, was und wie sie miteinander gesprochen haben, wie sie sich auf die technische Durchführung des Selbstmordes vorbereiteten und gleichzeitig ihre Dinge ordneten für die Zeit danach: Der Hund wird (unter einem Vorwand) zu einem befreundeten Ehepaar gebracht, es wird ein Kuchen gebacken für die Kinder und Enkel (zu Weihnachten), außerdem Geschenke gepackt für die Familie. Der todkranke Istvan, Arzt, ist damit beschäftigt, hunderte von Schlafmittelkapseln aufzuschneiden und den Wirkstoff zu entnehmen, damit er am Abend, mit Wasser geschluckt, schneller wirkt als in der Gelatinekapsel.

In Rückblenden, die sich in die fiktive Erzählung dieses letzten Tages schieben, setzt Adorján das Leben der beiden kriminalistisch-akkurat zusammen. Beide stammen aus dem jüdischen Großbürgertum Budapests. Die Verfolgung durch die Nazis überleben sie, wenn auch knapp – Istvan war im KZ, als der Krieg endete. Nach dem Krieg arrangiert man sich mit den neuen Umständen, wird Sozialist aus Pragmatismus, nicht aus Überzeugung. 1956 schließlich, nachdem der Aufstand Anfang November gescheitert ist, fliehen sie (mit den Kindern) über die Grenze nach Österreich und beginnen schließlich ein neues Leben in einem Vorort von Kopenhagen.
Diese Geschichte einer jüdischen Familie bildet den roten Faden, der sich durch die Erzählung Adorjáns zieht. Vordergründig rekonstruiert sie Leben und Sterben ihrer Großeltern, besucht deren noch lebende Bekannte, fährt zu den Schauplätzen ihres Lebens, forscht in dem kümmerlichen Nachlaß. Eigentlich aber ist Adorján auf der Suche nach ihren eigenen ungarisch-jüdischen Wurzeln, nach einem verschütteten Teil ihrer Identität. Sie ärgert sich darüber, dass sie kaum ein Wort ungarisch versteht. Sie wirft ihren Großeltern nicht vor, dass sie sich umgebracht haben – dafür äußert sie sogar beim Besuch eines Pflegeheims Verständnis – aber sie ist ihnen böse, weil sie ihr jüdisches Erbe nicht weitergegeben haben in der Familie, dass eine lange Tradition abgerissen ist.

Johanna Adorján ist ein gleichzeitig sehr nüchternes und sehr bewegendes Buch gelungen. Sie richtet nicht über ihre Großeltern, erhebt keine Besitzansprüche auf ihre Lebensgeschichte. Erst dieser Respekt Adorjáns vor ihren Großeltern gibt der Collage die ungeheure Tragkraft, die sie auf jeder einzelnen Seite besitzt.

Keine Kommentare


Frühlingsanfänge, zaghaft

24.02.2009, vormittags

24.02.2009, vormittags

Keine Kommentare


Willkommen bei den Sch'tis (1000 Filme: 4)

22.02.2009, 17.45 Uhr, Neues Studio Kiel (Saal 2), 5,50 € (ermäßigt)

22.02.2009, 17.45 Uhr, Neues Studio Kiel (Saal 2), 5,50 € (ermäßigt)

Frankreich erstreckt sich vom südlichsten Zipfel der Nordsee bis zum Mittelmeer. Während die Deutschen, wenn sie es im Urlaub warm haben wollen, traditionell nach Italien fahren, fährt der Franzose an die Cote d’Azur und kann somit auch im Urlaub seinem Heimatland treu bleiben. Diese geographische Lage Frankreichs gleichsam in Nord- und Südeuropa schlägt sich auch nieder in einer soziologisch-kulturellen Teilung des Landes. Die Südfranzosen sind arbeitsfaul, trinken Wein und liegen in der Sonne, während die Nordfranzosen den ganzen Tag frieren, Bier trinken und etwas einfach gestrickt sind. So zumindest sind die Vorstellungen der beiden Gruppen von der jeweils anderen.

Die Komödie “Willkommen bei den Sch’tis” beschäftigt sich mit dieser kulturellen Grenze innerhalb der Grande Nation. Ein südfranzösischer Postdirektor wird in die nördlichste Gemeinde Frankreichs, nach Bergues, strafversetzt. Seine Frau gibt ihm eine dicke Daunenjacke und eine Pelzmütze mit, bevor er sich, zunächst ohne Familie, auf den Weg an den Rand der Arktis macht. Sein Sohn hat Angst, dass er seine Zehen durch Erfrierungen verliert.

Auch wenn der Postdirektor in Bergues zunächst einen Mitarbeiter überfährt, wird er doch recht herzlich aufgenommen von der Mannschaft der Postfiliale, deren Chef er jetzt ist. Bald ist der Südländer voll integriert bei den “Scht’tis”, wie die Nordfranzosen wegen ihres Dialekts genannt werden. Dieser Dialekt übrigens ist ganz wunderbar ins Deutsche übersetzt, so dass der Film auch in der synchronisierten Fassung sehr sehenswert und unterhaltsam ist.

Keine Kommentare


Grundgesetzmilch

Grundgesetzmilch

Muuuuh!

Mein erster Gedanke beim Öffnen der Milchtüte heute morgen: Grundgesetzmilch. Die Diss. hinterlässt Spuren.

1 Kommentar


Winter, Pappschnee

10.02.2009, vormittags

10.02.2009, vormittags

1 Kommentar


Jerichow (1000 Filme: 3)

31.01.2009, 20.30 Uhr, KoKi Kiel, 4,00 € (ermäßigt)

31.01.2009, 20.30 Uhr, KoKi Kiel, 4,00 € (ermäßigt)

Thomas: ein unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassener Soldat, der in Afghanistan war und der jetzt zurückkehrt in seine Heimatstadt, wo er das verfallende Haus seiner Mutter geerbt hat. – Ali: ein türkischstämmiger Unternehmer, Besitzer von 45 Döner-Buden und China-Imbissen, der sich in Deutschland nicht so richtig zu Hause fühlt. – Laura: eine Frau, die sich von dem Dönerunternehmer heiraten ließ, um einen riesigen Schuldenberg aus einer im Dunklen liegenden Vergangenheit loszuwerden.

Diese drei Menschen sind auf der Suche nach Heimat, jeder für sich. Sie leben im Jerichower Land, einem Gebiet irgendwo mitten im ostdeutschen Nirgendwo, das voll ist mit Kiefernwäldern und langen Straßen, die Ali auf den Fahrten zwischen seinen Dönerbuden befahren muss. Als er wegen seines Hangs zum Alkohol seinen Führerschein verliert, stellt er Thomas als Fahrer ein. Schnell läßt sich Laura mit Thomas ein, und die Dinge nehmen ihren Lauf. Am Ende der Geschichte sind alle drei noch heimatloser als zuvor. “Jerichow” ist ein einfach erzählter, ganz unprätentiöser, häufig sogar leiser Film, der seine Geschichte recht unkonventionell und erfrischend langsam erzählt. – Sehenswert!

1 Kommentar


Alberto Moravia: Die Lichter von Rom (1000 Bücher: 5)

Alberto Moravia: Die Lichter von Rom. Neue römische Erzählungen, aus dem Italienischen übersetzt von Katarina Helmling, München 1965.

Die Lichter von Rom (Via Nazionale, Mai 1998)

Die Lichter von Rom (Via Nazionale, Mai 1998)

Alberto Moravia ist ein Schriftsteller, den heute kaum jemand kennt. Dabei wurde er um 1970 sogar als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt, wie ich einem Rezensionstext der Welt am Sonntag entnehme, der auf dem Umschlag meines uralten rororo-Heftchens (vom Flohmarkt) abgedruckt ist.

Moravias racconti romani sind kurz: keine ist länger als sechs Seiten, und das macht die Lektüre recht angenehm, weil man sie immer mal zwischendurch lesen kann. Er erzählt kleine Episoden aus dem Alltag der einfachen Menschen, immer aus der Perspektive eines Ich-Erzählers. Heute gibt es ja gar keine “einfachen Leute” – in diesem positiven Sinne verstanden – mehr, aber vor 40 Jahren muss das in Italien noch anders gewesen sein: Die Geschichten sind voll mit Arbeitern, Tankwarten, Kaffeebarangestellten, Blumenverkäuferinnen, die im Leben nicht viel mehr vorhaben als über die Runden zu kommen, vielleicht zu heiraten und ein kleines wenig sozialen Aufstieg zu schaffen:

Du hast leicht reden, du bist immer in Rom. Hast Du denn eine Ahnung, was es heißt, in Campagnano zu leben? Bestimmt nicht. Hier in Rom gibt’s doch Geschäfte, Kinos, Cafés, Autos, Straßen, auf denen Betrieb ist, und Lichter –

Moravia streut in die Erzählungen viele Namen von Straßen und Plätzen in Rom ein, und die Protagonisten trinken meistens entweder Espresso in der Kaffeebar oder Wein aus offenen Flaschen in der Osteria. Dabei ist all das, was erzählt wird, nie kitschig, sondern in bestem Sinne unterhaltend. – Empfehlenswert!

Keine Kommentare


30 Niederegger-Weihnachtsmänner, 5 €

Weihnachtsmänner, verspätet

Weihnachtsmänner, verspätet

Kann ich nicht mal an einer günstigen Gelegenheit einfach nur vorbeigehen?

5 Kommentare


Reinhold Conrad Muschler: Die Unbekannte (1000 Bücher: 4)

Reinhold Conrad Muschler: Die Unbekannte. Novelle, Düsseldorf 1934.

L'Inconnue de la Seine

L'Inconnue de la Seine (Photographische Rekonstruktion auf Basis der Totenmaske)

Irgendwann um das Jahr 1900 wurde in Paris die Leiche einer jungen Frau aus der Seine gezogen. Aus Gründen, die heute nicht mehr nachvollzogen werden können, wurde von ihrem friedlichen, ja andeutungsweise lächelndem Gesicht eine Totenmaske genommen. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten entwickelte sich dann die Mode unter Künstlern und Intellektuellen, sich eine Kopie dieser Totenmaske in die Wohnung zu hängen.

In den folgenden Jahrzehnten wurde die Inconnue de la Seine von einer ganzen Reihe von Autoren als Grundlage für literarische Werke genommen. Interessanterweise war dabei neben der französischsprachigen Literatur gerade die deutschsprachige Literatur rege beteiligt. Der Roman “Die Unbekannte” von Muschler wurde sogar ein Bestseller.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Muschler verlegt die Geschichte von der Jahrhundertwende in die damalige Gegenwart, also die frühen Dreißigerjahre. Die Inconnue heißt bei ihm Madeleine Lavin, ist Waise und kommt aus der französischen Provinz. Sie will nach Paris und dort ein kleines Modegeschäft eröffnen. In Marseille lernt sie aber einen englischen Adeligen kennen – Lord Thomas Vernon Bentick. Der hat gerade seine Verlobte in Marseille zum Schiff nach Ägypten gebracht, wo auch er selbst bald seinen Dienst als englischer Diplomat anzutreten hat. In der Zwischenzeit lässt er sich mit Madeleine ein, wobei natürlich beide auf ihrem Weg nach Paris immer in getrennten Hotelzimmern übernachten. Nach einigen glücklichen Wochen, erst auf einer Reise durch Frankreich, dann in Paris, reist der Lord ohne Madeleine nach Ägypten ab, und diese steigt in die Seine:

Madeleine Lavin fühlte die Wellen nicht, sank langsam unter, sah die Mutter; […] aber dann nahm Thomas sie in seine Arme.

“Ja, Thom, ich bin’s … ich komme!” –

Ihr Antlitz lächelte verklärt als man sie fand.

Das ganze ist mit knapp 60 Seiten recht kurz und an einem Abend zu lesen. Literarisch ist die Geschichte sicherlich nicht als der Weltliteratur zugehörig anzusehen. Muschler behauptet die Geschehnisse nur; der Leser mag ihm nicht so recht glauben. Interessant ist die Novelle aber doch, da man eine Menge lernt über das Bild, das man sich vor einem Dreivierteljahrhundert davon machte, was Frauen tun und was Frauen nicht tun.

(Bildquelle: Wikimedia)

2 Kommentare


« Ältere Einträge | Neuere Einträge »